Alles für einen Tanz auf dem Vulkan
Backpacking Indonesien: Trekking Gunung Rinjani auf Lombok
So richtig weiß ich gar nicht mehr wann und warum ich auf die verrückte Idee kam, den Vulkan zu besteigen. Sicher ist nur: es war das erste und lange Zeit einzige „Muss ich unbedingt machen“, als Indonesien als Reiseziel feststand. Da sind wir nun wieder, zurück von einem heißen Tänzchen, verschwitzt, verdreckt, verkrampft und völlig ver- ähm fertig.
Zunächst aber beginnt alles sehr chillig. Wir haben vorgesorgt (sprich vorgebucht), werden am Hafen in Bangsal abgeholt und laut und lustig nach Senaru zu unserer Unterkunft gefahren. Senaru ist ein kleines, langgestrecktes Dorf im Norden des Rinjani-Nationalparks auf Lombok und liegt auf 600 Metern Höhe am Fuße des Berges. Wir wohnen bei Ari und Mellie im Rinjani Light House, einer mit viel Liebe zum Detail erbauten eco-Lodge. Ari und Mellie sind ein junges deutsches Einwandererpärchen, die mal wirklich etwas zu erzählen haben und dabei sind, eine sehr schöne Vision zu verwirklichen. (Viel Kraft und Freude für die Zukunft, wir denken oft an Euch – und den gartenfrischen Pfefferminztee! ;)).
Der Rinjani ist eingehüllt von Wolken und bereitet uns daher kein Kopfzerbrechen. Noch nicht.
Mit 3.726 Metern über dem Meeresspiegel ist er der zweithöchste Vulkan Indonesiens und noch immer aktiv. Aktuell wächst im 50 km² großen und 230 Meter tiefen Kratersee Segara Anak ein Minivulkan, der Gunung Baru. Dieser hat mit seinen Vulkanaktivitäten seit 1994 (letzte Eruption war 2010) das Bild des Rinjani immer wieder massiv verändert.
Der Aufstieg ist über mehrere Routen in mehrtägigen Touren möglich. Im Wesentlichen gibt es drei Ziele: Den Kraterrand auf 2.641 Metern Höhe (1 Übernachtung), Kraterrand und Vulkansee auf 2.000 Metern Höhe (2 Übernachtungen) sowie Kraterrand, Vulkansee und Berggipfel auf 3.726 Metern Höhe (3 Übernachtungen). Ausgangsorte der Touren sind Senaru (600 Meter) oder Sembalun (1.150 Meter).
Wir entscheiden uns für die Zweitagestour zur Rim (Kraterrand) von Senaru aus. Zu fünft brechen wir morgens halb acht auf, nach einem ausgiebigen Frühstück bei dem wir unseren Guide Dan kennenlernen.
Kurz darauf treffen wir unsere vier Porter, die Helden des Tages. Diese Einheimischen schleppen nämlich unser komplettes Equipment (bestehend aus Zelten, Isomatten, Schlafsäcken, Küchenutensilien, Getränken und Lebensmitteln) an einem Bambusstab über der Schulter auf den Berg. 25 bis 35 Kilo pro Mann. Wir sind lediglich für unsere ganz persönlichen Sachen zuständig, das heißt Wechselwäsche, dicke Sachen für nachts, Wasser für unterwegs.
Und ‚unterwegs‘ geht jetzt los, mit etwas, das den ganzen Tag über nicht mehr aufhören wird: einem recht steilen Anstieg. Als wir nach ca. 30 Minuten am Eingang des Nationalparks ankommen überlege ich erstmals, ob das ganze Vorhaben wirklich so eine gute Idee gewesen ist. Ich gestehe: Ich bin jetzt schon fertig. Wie soll ich so die kommenden 7 Stunden überstehen, die als durchschnittliche Laufzeit angegeben werden? Find ich nur raus, wenn ich sie hinter mich bringe – also weiter. Jetzt im Nachhinein wird mir klar, dass ich die ganze Zeit über völlig irrational auf einen klitzekleinen Abschnitt gewartet habe, der irgendwie gerade ist. Aber klar, ‚gerade‘ bringt einen nicht auf den Berg und Serpentinen sind eine Erfindung aus weiter Ferne. Hier, Ihr Lieben, gibt es nur ‚hoch‘ …
Zumindest ist es ein schönes ‚hoch‘. Die ersten beiden Abschnitte des trails führen durch den Dschungel, der Boden ist fest und gut und durchsetzt von Baumwurzeln, über die man kraxeln muss. Die Vegetation ist umwerfend. Es sei also dringend geraten, Muskelschmerzen und Luftnot gelegentlich auf die hinteren Plätze zu verweisen und einen Blick auf die Umgebung zu wagen – ein kleines Trostpflaster, dass man sich bei all den Strapazen nicht entgehen lassen sollte!!!
Immerhin schaffen wir den Abschnitt bis in Camp 2, der in den Routenplänen mit 3 Stunden angegeben wird, in lediglich zweieinhalb. Wenn das nix ist. Unsere Porter zaubern wundersame Dinge aus ihren Bastkörbchen: ne Autobatterie zum Beispiel, nen Saftmixer, Stichflammen. Und so kriegen wir auf 1.500 Metern Höhe ein furchtbar luxeriöses Mittagessen, wie wir es unten in der Zivilisation kaum hatten. Frisch gepressten Fruchtsaft inclusive. Respekt Jungs!
Ein Problem jedoch eint uns hier alle: Wir frieren fürchterlich. Natürlich ist die Außentemperatur noch bei entspannten 25 Grad, doch mit den durchgeschwitzten Klamotten und sinkendem Energielevel wird einem bei jeder größeren Pause wirklich kalt. Klar wird von vornherein geraten, Wechselsachen für abends, also das Ende des Aufstiegs, mitzunehmen. Ich hätte gern noch zwei, drei T-Shirts zusätzlich mitgehabt für unterwegs, einfach, um wieder trocken zu sein (außerdem stinkt man wie ein Wiesel). Dies nur eine kleine aber wichtige Anmerkung für alle, die nach uns die Tour wagen.
Nach 90 Minuten Mittagspause geht es weiter, zunächst wieder durch den Dschungel, wieder heftig bergauf, wieder ein körperlicher und vor allem mentaler Kraftakt. Die ungleichmäßige Kraxelei killt jeden Laufrhythmus, jeder Schritt ist bewusst. Nach ungefähr einer Stunde erreichen wir die Wolkengrenze, nach einer weiteren die Baumgrenze und damit Camp 3.
Wir sind jetzt auf 2.000 Metern Höhe und nutzen eine nette Zufallsbekanntschaft mit zwei Jungs aus Jakarta für ein weiteres Privatpäuschen. Danach wird der Weg richtig heftig, denn feines Geröll und Sand machen ein Vorankommen noch mal um einiges schwerer als die Wurzeln weiter unten und reduzieren unsere Reisegeschwindigkeit auf gefühlte 3 Meter/Minute. Wir fangen an zu fluchen. Sorry Berg, der du heilig und von Geistern bewohnt bist – aber wir können nicht mehr. Und somit verließen sie uns, die Geister, die guten. Und zwar alle.
Also sprichwörtlich von allen guten Geistern verlassen bezwingen wir nun auch noch das letzte mörderische Stück bis zur Rim über felsiges, karges Gelände. Wir fühlen uns wie Frodo und Sam auf dem Schicksalsberg, das hier hätte eine genau so gute Filmkulisse abgegeben, Herr Jackson. War sicher einfach zu anstrengend, alles hier raufzubringen, hm?
16:36 Uhr: Wir haben es geschafft, sind tatsächlich oben! Wir sehen Zelte, Menschen, ein Camp! Und dicke schwarze Wolken, die gegen den Kraterrand schlagen. Der Berg wartet mit der Enthüllung seiner Schätze bis wir wieder aufnahmefähig sind. Unsere Porter haben ganze Arbeit geleistet: Die Zelte stehen schon, etwas abgelegen von den anderen und ganz vorn an der Rim. Erstmal die nassen Klamotten aus und warme Sachen an, denn es ist schon jetzt empfindlich kühl hier oben. Nach einer halben Stunde reißen die Wolken auf und wir schauen zum ersten Mal in den Krater – sprachlos, überwältigt, beeindruckt.
Der kurze Rest des Tages ist erholsam, wir mampfen Schokowaffeln, bestaunen die Natur, regenerieren. Der Sonnenuntergang entzieht sich uns hinter dichten Wolken, doch als wir beim Abendessen sitzen gibt es noch einmal einen magic moment. Genau vor dem in die Abendsonne getauchten Gipfel öffnet sich ein kleines Loch in der dicke Wolkendecke – nur für einen kurzen Moment. Was für ein Gruß …
Um halb 7 ist es bereits stockdunkel, Kälte und Feuchtigkeit lassen halb 8 alle in ihren Zelten verschwinden. Trotz eigens mitgebrachten (zusätzlichen) Fleeceschlafsäcken und Wärmflasche klappern wir uns in den Schlaf. Blöderweise muss ich um Mitternacht noch mal raus, Bier trinken hier oben ist keine so gute Idee ;). Die ohnehin schon nicht allzu warmen Schlafsäcke zu verlassen ist nämlich eine echte Überwindung. Als Entschädigung präsentiert sich ein wolkenloser Sternenhimmel, wie ich ihn noch nie gesehen habe!
Um 6 ist die Nacht vorbei, noch bevor Dan zum Wecken kommt. Denn den Sonnenaufgang gegen 6:20 Uhr will sich niemand entgehen lassen – die Entschädigung für alle Strapazen. Seht selbst:
Nach dem Frühstück beginnen wir um Viertel vor Acht den Abstieg – gleicher Weg wie gestern herauf. Das ist nicht besonders kreativ doch sind wir froh, nicht die Zwei- oder Dreitagestour gebucht zu haben. Die Vorstellung, jetzt zum See hinab- um dann zum Gipfelcamp wieder heraufzusteigen hat physisch gesehen wenig Verlockendes.
Anfangs glauben wir, der Abstieg wird etwas kräfteschonender als der Aufstieg des Vortages, doch nach zwei Stunden sind die Beine wie Pudding und die Aufmerksamkeit lässt nach. Als wir zurück im Dschungel die Wurzeltreppen erreichen wird klar, dass wir uns höllisch konzentrieren müssen, um nicht in den Wurzeln hängen zu bleiben und zu stürzen. Aber wir müssen heute keine Helden mehr sein und lassen uns Zeit, labern dummes Zeug und singen (obwohl wir es nicht können) so laut wie falsch. Das Lachen des Wahnsinns macht sich breit. Und immer wieder schauen wir auf den Abhang vor uns und fragen uns, ob wir das WIRKLICH gestern alles hochgelaufen sind …
Wir ziehen durch bis in Camp 1, wo wir mittags gegen halb eins ankommen. Hier ist zum letzten Mal die ganze Gruppe zusammen, gibt es ein letztes gemeinsames Mittagessen. Wir feiern unsere Porter – die bescheidenen Helden im Hintergrund – und nehmen Abschied. Halb 3 ist es dann überstanden, wir kommen in Senaru an. Verschwitzt, verdreckt, verkrampft – und verdammt stolz!
Und wenn Du jetzt fragst ob ich das wieder machen würde: Nö!
:) Aber dieses eine und letzte Mal, das war dann doch irgendwie was ganz Besonderes …
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